Der Jammerlappen

Jammervoll und ausgewaschen
blickt mit Seifenlaugenaugen
mich mein Lappen morgens an.
"Ach," so fängt er an zu klagen,
"Damals," höre ich ihn sagen,
"einst, in meinen bess'ren Tagen,
hab' ich Großes fast getan!"

Düster wird mein Badezimmer,
klamm das Handtuch, matt der Schimmer
meines Spiegels, der, beschlagen
von solch' wehmutsvollem Klagen,
blaß das Morgenlicht verschluckt,
blind in Bad und Becken guckt.

Und mit triefem Lappenbasse
Spricht er von den guten Zeiten:
"Damals wagte ich zu streiten.
gegen selbsternannte Herren
kämpfte ich mit scharfer Lauge,
die ich ätzend ihnen spritzte
in ihr menschheitsblindes Auge!"

"Wollte ihre Augen öffnen!
doch sie kniffen nur die Lider
fester zu und immer wieder
tunkten sie mich grausam nieder,
nieder, bis ich fast erstickte!
Gnadlos wurd' ich ausgewrungen,
bis das Rückgrat mir zersprungen,
ach, mein Rückgrat mir zerknickte."

Dickbeseelte Wassertropfen
rinnen von der Spiegelwange,
und der Badewannenpfropfen
gurgelt wieder zukunftsbange
abgelaufnem Wasser nach;
und es hallt aus allen Ecken,
allen Wannen, Eimern, Becken:
"Einmal tat er seine Pflicht!
Er hat's versucht. Es klappte nicht."

© Ralf Schauerhammer