Ballade von Ralf Schauerhammer (entstanden 1983/1984) Weltweit erstes Kunstherz vor 40 Jahren


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Der Tod von Barney Clark 

von Ralf Schauerhammer

Schon wieder heulen die Sirenen.
Platz da. Platz den Weg macht frei!
Das Lichtsignal springt dir eintgegen.
Der Krankenwagen jagt herbei.
Ein jeder hält ein wenig inne.
Denkt bang, was ist das Ziel der Fahrt?
Denkt an die Liebsten, wünscht im Stillen,
Sie seien alle wohl bewahrt.

Allein Frau Clark, sie steht am Fenster,
Wünscht die Sirene vor ihr Haus.
Ihr Mann liegt wieder nah dem Tode,
Und bebend lauscht Frau Clark hinaus.
Sekunden werden ihr Minuten,
Minuten eine Ewigkeit -
Doch horch – er naht, der Hoffnungston.
Zuerst noch schwach und hell und weit.

Schon kommt er an, die Türen schlagen.
Helfer springen – kurze Fragen -
Schnelle Hände bringen Tragen,
Bringen Hilfe, Instrumente,
Bringen Hoffnung – Gute Wende.

Bange Stunden, schwere Tage -
Endlich wendet sich das Glück
Barney Clark, er ist gerettet,
Zumindest für den Augenblick.
„Doktor De Vries“, fragt er voll Mut:
„Der Augenblick, wie lang ist er?
Mein krankes Herz wird immer schwächer,
Sind’s Stunden, Tage oder mehr?“

Die Antwort kommt nach kurzem Schweigen,
Sehr ruhig und in klarem Ton:
„Wir müssen uns nun bald entscheiden,
Seit Wochen sprachen wir davon.
Das Kunstherz ist nun technisch reif,
Ist gut erprobt von allen Seiten,
Der Eingriff gründlich präpariert.
Ich steh bereit, wenn Sie entscheiden.“

In dieser Nacht liegt Clark voll Zweifel,
Von wilden Schauern schwer gejagt.
Ihm dämmern fiebrig wilde Bilder,
Ihn quält die Angst. Er ist verzagt.
„Ich lebe nur noch wen’ge Tage,
Mein Todesurteil ist gesprochen.
Selbst wenn ich diesen Eingriff wage,
So leb’ ich höchstens ein paar Wochen.

Ach hab’ ich nicht genug erduldet.
Mein Körper ist schon arg geschunden.
Ach, all das Weh vergangner Leiden,
Ach, all mein Weh der alten Wunden. -
Ich möchte schlafen, ruhig scheiden.
Ach, Schicksal! Ach, warum grad ich! -
Gibt’s keine Freude mehr für mich
Und keinen Sinn
Wofür ich bin? - -
Lass’ alles sein,
Schlafe nur ein.“

Doch horch, was regt sich? Stimmen sprechen,
Schritte eilen auf dem Gang.
„Was ist’s? Gilt dieser Aufruhr mir?“
Er ruft bestürzt und fragt es band. -
„Nur ruhig, nein, Sie können schlafen“,
So sagt man ihm in sanftem Ton,
„Es ward ein Junge eingeliefert.
Wir hoffen nur, er kommt davon.“

Ein krankes Herz und kaum zehn Jahre!
Was wird die Zukunft ihm noch geben?
Ein morscher Baum wie ich mag fallen,
Doch dieser junge Spross muss leben.
Hier muss ich helfen – helfen lernen.
Vielleicht ist’s hier noch nicht zu spät.
Ich will es tun – komme was wolle!
Mein Körper teste das Gerät!

Für dieses Kind will ich es wagen,
Wenn dann der Ärzte Kunst vermehrt,
So hilft es diesem jungen Leben.
Mein Leiden findet seinen Wert.
Ein jeder stirbt und muss vergehen,
Nur uns’re Taten tragen weiter,
Taten, die für and’re stehen.
„Ich werde tragen“, denkt er heiter.

Der Eingriff dauert sieben Stunden.
Das Ärzteteam greift Hand in Hand.
Nach außen fühllos, doch im Innern
Ist jeder völlig angespannt.
Das Kunstherz schlägt! Doch keine Ruhe.
Clarks Lunge ist zu stark verletzt.
Ein Eingriff rettet – doch dann Krämpfe -
Ein Teil des Herzens wird ersetzt.

Nach stürmisch abgelaufnen Tagen
Kann Barney Clark nun doch genesen.
Er findet Ruhe, kann schon lächeln,
Bald wieder trinken, essen, lesen.
Und morgen wird er sogar feiern,
Ein Fest mit zweiundsechzig Kerzen.
Für all die frohen Gratulanten
Kann Barney Clark schon wieder scherzen.

Am Abend spricht er ruhig, heiter:
Ich lese, was sie von mir schreiben.
Sieh’, Frau, sie sagen, ich sei eigen
Und wolle nur am Leben bleiben.
Der Fortschritt, sagen sie, sei schlecht;
Zu teuer würden Menschenleben.
Ein Frevel, meinen sie erbost,
Sein Herz Maschinen übergeben.
Geliebte Frau, ich habe Glück

Und habe jetzt noch so viel Zeit,
Viel Zeit und einen weiten Sinn
Und die Gedanken fliegen weit.
Ich seh’ die Menschen, die das schreiben,
Es lesen und auch weitersagen.
Wie krank sind sie an Herz und Seele,
Wenn sie nichts für die Zukunft wagen.

Ich dachte erst, mich braucht ein Kind.
Man trug’s vor Wochen schon zu Grabe.
Jetzt se’ ich erst, wie groß die Not,
Dass ich Millionen Kinder habe.
Erwachsen, doch mit kleinen Seelen
Und Hoffnungsleeren und müden Leben.
Für sie will ich gesund erscheinen,
Will kämpfen, ihnen Hoffnung geben.

Wenn so mein Glaube, felsenfest,
An Menschheitsfortschritt ohne Ende,
Sich ihnen greifbar machen lässt,
Dann eil’ ich freudig an mein Ende.

Clarks Körper starb nach sechzig Tagen;
Sein Herz wird für uns weiterschlagen.


Barney Clark wurde im Januar 1983 operiert und starb im März 1983. Am 24.10.1995 wurde dem 50-jährigen Peter Norkus, der zuvor 8 Wochen im Koma gelegenhatte, ein Kunstherz eingepflanzt. Er konnte Weihnachten wieder zu Hause feiern. In den folgenden Jahren wurde dieses moderne Kunstherz bei über 25 Patienten erfolgreich eingesetzt.

Zusatz im Januar 2023

Die Zahl der Implantationen nimmt allerdings seit einigen Jahren zu, immer mehr Kliniken nehmen den Eingriff in ihr Programm auf, weil sich Operationstechnik und Nachsorge verbessert haben. Schon denken Ärzte darüber nach, auch weniger kranke Patienten mit den Kunstherz-Pumpen auszustatten. Bald könnte es zu einem extremen Anstieg der Operationszahlen kommen – die intime Verschmelzung von Mensch und Maschine würde alltägliche Erfahrung in den Kliniken.


Das Jahrhundertereignis

Vor jetzt 55 Jahren, am 3. Dezember 1967 vollführte Christiaan Barnard im Groote Schuur Hospital in Kapstadt die weltweit erste erfolgreiche kurative Herztransplantation am Menschen. Philip Blaiberg aus der Republik Südafrika wurde am 2. Januar 1968 als weltweit zweiter erwachsener Patient von Barnard operiert und starb im August 1969.
15 Jahre später folgt das erste Kunstherz.

1982 weltweit erstes Kunstherz

Vor genau 40 Jahren, also 15 Jahre nach Barnards Pioniertat, folgte ein weiterer Meilenstein: Chirurg William DeVries pflanzte am 2. Dezember 1982 im Krankenhaus der University of Utah in Salt Lake City dem schwer herzkranken 62-jährigen Zahnarzt Barney Clark in einer siebenstündigen Operation das weltweit erste Kunstherz ein.
Als erstes dauerhaftes Herzimplantat gilt das Jarvik-7 des amerikanischen Wissenschaftlers Robert Jarvik. Barney Clark überlebte 112 Tage und erlitt mehrere Thrombosen, bevor er starb. Am 25. November 1984 wurde dem US-Amerikaner William J. Schroeder ein Kunstherz ebenfalls vom Typ Jarvik-7 implantiert, mit dem er 620 Tage überlebte.

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Patient Clark und Chirurg DeVries am 3. Dezember 1982 in Salt Lake City. Clark lebte nach der OP 112 Tage mit seinem Kunstherz.

Das nach seinem Erfinder "Jarvik-7" genannte Kunstherz war mit einem rund 180 Kilogramm schweren Luftkompressor außerhalb des Körpers verbunden. Er begleitete Clark 112 Tage lang, bis der Patient schließlich starb. Er selbst sei von vorneherein optimistisch gewesen, erinnerte sich Chirurg DeVries später in einem Interview. "Ich habe absolut daran geglaubt, dass die Implantation funktionieren würde - sonst hätte ich es nicht getan."
Nach der Operation wandte sich Clark an seine Frau: "Ich möchte dir sagen, dass ich zwar kein Herz mehr habe, aber dich immer noch liebe."

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Barney Clark And Wife After History-Making Artificial Heart Transplant