Leg deine Hand in meine Seite
ISBN 978-3-96940-460-7
Engelsdorfer Verlag, Leipzig (www.engelsdorfer-verlag.de)
Taschenbuch, Seiten: 80
LyBi – Die Lyrikbibliothek. Band 129
Gesamtgestaltung Ursula Cicconi
12,80 € inkl. MwSt
Aus dem Inhalt.
Anstelle einer Einleitung:
Glaube ans Jenseits
In Stein gehauen musste ewig bleiben,
was Geist und Tat dann nicht mehr ändern kann;
als man erfand auf Holz in Wachs zu schreiben,
sah man den Geist als leere Tafel an.
Dann schufen Techniker die Pendeluhren,
sie liefen selbstbewegt und akkurat
und hinterließen auch im Denken Spuren;
es wurden Geist und Welt zum Apparat.
Aus Elektronik und Computerwelten
entsteht das Netz totaler Transparenz,
man lässt nur neuronale Logik gelten
und Elektronenhirn-Intelligenz.
Ich glaube Poesie ist‘s, die erhebt,
zu dem, was jenseits dieser Schranken webt
Unzeitgemäßes Gedicht
I
Ein langer Schlaf in sanftem Abendrot,
du merkst der Sonne Sinken kaum.
Auf glatter Fläche treibt dein Boot
in einen grenzenlosen Raum,
gewiegt von einem Zukunftstraum,
befreit von allem, was dich hat bedroht.
Ein langer Schlaf nur ist der Tod.
II
Wie herrlich aus dem bangen Tod,
der Nebelnacht und Sorgen,
hebt in den zarten Morgen
die Sonne sich, in gold‘nem Rot.
Als ich sie heute früh gesehen,
da stieg mein Herz empor
und übersang der Vögel Chor
und sang mit hellem Freudenklang:
„Auch du wirst auferstehen!“
Ich komme mir als Schwärmer vor,
der wirre Zeilen schreibt.
Und dennoch bleibt
der Lobgesang mir lang im Ohr.
❧
Weiße Wolke
Und auf dem See
schwimmt, weiß wie Schnee,
die Wolke, tief im Blau,
als möchte sie herniedersinken
und sanft in diesem See ertrinken,
in tiefem Blau.
Sie weiß, sie würde von den Winden
erlöst dort endlich Ruhe finden,
im tiefen Blau.
Und was ich fühle, was mich treibt,
und was ich bin, was von mir bleibt,
weiß sie genau.
❧
Nachwort
Wieso fallen mir solche Gedichte ein, die ich mit einem Augenzwinkern „unzeitgemäß“ nenne? Bei dieser Frage kommt mir in Erinnerung, dass ich als Kind manchmal stundenlang in einem Gebüsch saß, den Schein des Ewigen Lichtleins durch das Kapellenfenster ansah während ich sehnsuchtsvoll davon träumte, Jesus zu begegnen. Mein Hang zur Logik sagte mir damals schon – ich war acht oder neun – dass Gott durch unser Denken nicht erkennbar sein kann; sonst wäre er nicht Gott, sondern viel zu klein für das Unfassbare jenseits des Sternenhimmels. Gott wurde mir dadurch unnahbar. Aber Jesus kann mir als Mensch jeden Tag begegnen und ich kann ihn als Gottessohn begreifen.
Als ich später erfuhr, dass die Bezeichnung „Sohn Gottes“ für den neuen König, für den man Jesus ansah, damals gängig war und deshalb nur als Ehrentitel oder märchenhafte Beschreibung anzusehen sei, änderte sich an meiner Einstellung zum menschgewordenen Gott nichts. Nur Narren glauben, man könne die tiefe Wahrheit der Märchen in neuronalen Netzen einfangen und im Licht der Logik aufklären.
Aber die Spannung zwischen transfinitem Gott und begreifbarem Jesus blieb. Das „ich bin“ lässt sich nicht auf „ich denke“ reduzieren, ohne „ich glaube, hoffe, liebe“ gibt es kein „ich bin“. Das ist mir klar. Dennoch ist das Ewige Lichtlein etwas sehr fragiles, dass die Gewissheit nur erscheinen lässt – nicht besitzen. Mein zweifelndes Denken lässt den ungläubigen Thomas halt immer wieder in den Vordergrund treten. Das spiegelt sich auch in meinen Gedichten, und der Gedanke, dass es vielleicht nicht nur mir so geht, war Anlass zu diesem Büchlein.
Ralf Schauerhammer, Januar 2023
ISBN.: 978-3-96145-428-0
Taschenbuch, Seiten: 120
Copyright (2018) Engelsdorfer Verlag
LyBi – Die Lyrikbibliothek. Band 124
Titelfoto © Ursula Cicconi
9,95 € incl. MwSt.
Produktbeschreibung
»Ich denke nie ohne zu dichten, und dichte nie ohne zu denken«, sagte der Sprachforscher und Dichter Friedrich Rückert. Ralf Schauerhammer geht es gerade so. Seit seiner Kindheit begleitet ihn das Flügelpferdchen in den verschiedensten Lebenssituationen bei seinen Gedankengängen und Geistesflügen. Hier lesen Sie eine Auswahl seiner Gedichte, vom strengen Sonett bis zur freien Lyrik, mal lustig, mal nachdenklich, handverlesen und mit erkennbarer Freude an Sprache und Philosophie. Hören Sie, was das »Schweigen des Werwolfs« sagt und was »Maiers Goldfisch« nicht zu sagen hat, sehen Sie durch die »Augen des Findelkindes« oder lauschen Sie dem Liebeslied der »Perle«.